(Geistiger) Zustand · Corona · Hochzeit

Halbjahres-Resümee 2020 – Teil 2

Am 23. März hatten wir das erste Corona Gespräch und uns wurde mitgeteilt, dass unsere Arbeitsstelle für den öffentlichen Verkehr geschlossen bleibt. Mitarbeiter sollten Überstunden absetzen oder Resturlaub nehmen. Alle, die weder das eine, noch das andere hatten, müssten bei geschlossenem Laden putzen und Waren verräumen. Aus meiner Abteilung traf es hier nur mich, da ich ja gerade erst dort angefangen hatte.


Also war ich eine Woche lang in Frühschicht putzen und konnte mich in Ruhe umsehen. Trotzdem war da schon ab und zu ein mulmiges Gefühl dabei, da ich Corona nun erst richtig realisierte. Ich war praktisch den ganzen Tag alleine und fragte mich oft, was ich überhaupt machen sollte, um den Tag rum zu bekommen. Als neue Mitarbeiterin will man sich ja auch von seiner besten Seite zeigen und fleißig umherwuseln. Aber nachdem ich alle Regale aufgeräumt, gewischt, Klebereste entfernt und wieder neu bestückt hatte, gab es oft nicht mehr viel zu machen und ich musste mich irgendwie beschäftigt halten, um wenigstens die vorgegebene Zeit rum zu bekommen. An zwei Tagen durfte ich dann Regale komplett umräumen, nach Vorgabe. Wenigstens etwas, wo klar beschrieben war, was ich zu tun hatte und wie. Und unglaublich akribisch räumte ich die Farbeimer Millimeter genau in die Regale. Das war gefühlt das Einzige, was gerade nach Plan lief. Danach ging es direkt nach Hause. Und meine freien Nachmittage nutzte ich kaum richtig.

Ich hatte mich an eine Serie erinnert, die ich als Jugendliche unglaublich geliebt hatte. ‚THE TRIBE‘ – eine Serie in der es darum ging, das ein Virus die Erwachsenen getötet hatte, die Wirtschaft zusammen brach und die Jugendlichen auf sich allein gestellt waren. Es war nicht so, dass ich das jetzt mit Corona gleichgestellt hätte. Ich konnte mich nur so gut an die ersten Worte der ersten Folge erinnern, als der Präsident in der Serie in den Nachrichten sagt: „Um das Risiko einer Ansteckung zu vermeiden, bleiben sie in ihren Wohnungen und warten auf weitere Instruktion.“
Also machte ich an meinen Nachmittagen und Abenden einen Rewatch der Serie. Und trotzdem beschlich mich immer wieder der Gedanke: „Was ist, wenns das jetzt wirklich war? Zack, Virus, Leben vorbei?“
Und dann wieder diese andere Stimme: „Ach, das geht wieder vorbei. Alles wird gut. Nur keine Panik.“

Die zweite Woche war ich dann Zuhause. Und die Wolke über mir verdickte sich.
Was wird mit meiner neuen Arbeit? Als neue Arbeitsnehmerin ist man auch die Erste die geht, wenn es nichts mehr zutun gibt, oder?
Hochzeitstermine fielen aus. Kann die Hochzeit überhaupt stattfinden? Wie lang kann so ein Lockdown sein?
Ich verbrachte Tage nur auf meinem Sofa. Klopapier hatte ich genug da. Und Fertigfutter. Ich ging nicht mehr raus um frisches Obst zu kaufen. Eben eine Woche eigene Quarantäne. Was ist schon dabei.
Mittags ein Glas Whisky, vielleicht helfen sie die Gedanken zu verscheuchen. Gedanken über den Tod und die Sinnlosigkeit des Lebens. Gedanken die mich früher öfter überrannt und ausgenockt haben, seit meiner Beziehung mit Y. aber wirklich ganz gut die Füße still gehalten hatten.
Dann eben in die Nacht hinein Serien schauen, mit Ravioli oder wie früher mit einer Portion Kellogs.
Okay, das Gewicht ging nicht weiter nach unten. Eher wieder hoch. Aber wieso jetzt stressen, wenn ich gar nicht weiß, ob ich dieses Jahr mein Hochzeitskleid tragen kann?

Auch in Woche 3 ging das so weiter. Obwohl das Wochenende wieder ein kleines Hoch brachte, da Y. ja immer am Wochenende Zuhause ist und sein Rhythmus mich direkt vom Sofa schubste. Erst ab Mitte der Woche 3 musste sich was ändern. Ich hätte diese „freie Zeit“ so gut sinnvoll und kreativ nutzen können… stattdessen war ich wieder wie gefangen in Gedanken.
Da wir die Erlaubnis hatten, als Mitarbeiter private Einkäufe in unserem Baumarkt zu tätigen, machte ich mich dann doch mal wieder menschentauglich und fuhr in die Stadt. Es war sowieso meine Pflicht, mich jeden Mittwoch nach dem Arbeitsplan für die darauffolgende Woche zu erkundigen. Also tat ich das und kam zurück mit einem Kofferraum voller Pflanzen für ein Drittel des Orginalpreises. Und dann machte ich endlich wieder etwas. Ich hübschte den Pavillon frühlingshaft auf und setzte die ersten Pflanzen. Am Wochenende machten wir Feuer im Garten und es fühlte sich endlich wieder gut an und der Tatendrang war zurück. Und das merkten auch meine Nachbarn. Die machten fleißig mit im Garten, obwohl das eigentlich garnicht erlaubt gewesen wäre. Immerhin hielten wir Mindestabstand. Abends tranken wir des öfteren zusammen und redeten soviel wie noch nie miteinander.

Da war es dann aber auch schon wieder vorbei. Am 20. April durften Baumärkte schon wieder öffnen. Was mich tierisch aufregte. Zum einen fand ich es zu früh und diese 800 qm Regel völlig an den Haaren herbei gezogen… zum anderen, und hauptsächlich, ärgerte ich mich über mich selbst, dass ich mich in meine psychischen Probleme gesteigert hatte, anstatt die Zeit Zuhause sinnvoll und kreativ zu nutzen. Ich hätte so viel schaffen und machen können… stattdessen kam mir gerade diese erste Zeit Zuhause dunkel, trist und unendlich lang vor.

Dann ging es direkt los mit dem Stress. Die Menschen überrannten uns die erste Woche nach der Eröffnung regelrecht. Und direkt nach dieser Woche hätte ich mir eine weitere Woche gewünscht, in der ich hätte Zuhause bleiben können und meine schmerzenden Füße kühlen. Und da kamen mir diese Gedanken, die ich im Blogstöckchen meinte:
Eine 3 oder 4 Tage Woche würde mir auch reichen.

Während der April sich gezogen hat wie Gummi, war der Mai wieder vorbei wie im Flug. Nach den ersten 2 stressigen Wochen auf Arbeit pegelte sich alles ein. Ich bekam eine Routine und wusste langsam wo was steht und wie die Tagesabläufe sind. Dadurch wurde alles viel leichter und mittlerweile habe ich erkannt, dass mein neuer Job viel ruhiger ist als mein letzter. Ich beginne langsam, mich wohl zu fühlen und das ich in der Farbenabteilung arbeite, regt meine Kreativität wieder an. Nur in Sachen Hochzeit kamen wir auch im Mai nicht viel weiter. Dafür hatte mein Zukünftiger etwas Neues für sich entdeckt: Verschwörungstheoretien.

Er war von Anfang an gegen die Maskenpflicht und weigerte sich, einen „Maulkorb“ zu tragen. Er rastete oft aus wenn jemand ihn darauf hinwies eine Maske tragen zu müssen und so wurde der Wochenendeinkauf dann von seiner zu meiner Aufgabe.
Da wir politisch aber noch nie ganz auf einem grünen Zweig waren und sich seine Ansichten durch die vielen Verschwörungstheorien verschlimmerten bzw. vielleicht auch in andere Richtungen bewegten, gab es nun auch öfter Streit. Das ging sogar ein paar mal so weit, das ich in Frage stellte, ob ich ihn wirklich heiraten möchte.

Das eskalierte dann und wir sprachen uns irgendwie aus. So das er mich nun mit seinen Ansichten in Ruhe lässt und wir überein gekommen sind, das jeder von uns frei entscheiden darf was er denken und glauben möchte, es der jeweils andere aber akzeptiert und es fern von unserer Beziehung bleibt. Wir liebten uns vor Corona und werden es auch nach Corona tun. Egal ob mit oder ohne Aluhut. Man liebt einen Menschen ja nicht wegen seiner Einstellung sondern wegen des Gesamtpakets und weil eine tiefe Verbindung zueinander besteht.

Und der Monat Juni brachte uns dann eh wieder auf andere Gedanken:
Den hier war er plötzlich, der Hochzeitsstress!!

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